Nach ihren im 19. Jahrhundert angesiedelten filmischen Essays über die Dichtkunst - 'Brigitta' und 'Requiem für eine romantische Frau' - bleibt sich Dagmar Knöpfel erneut treu. Mit 'Durch diese Nacht sehe ich keinen einzigen Stern' legt die HFF-Absolventin nun eine Studie über die tschechische Schriftstellerin Bozena Nemcova vor und räsoniert dabei über Macht und Ohnmacht des Schreibens.
Wer Knöpfels Kino-Oeuvre kennt, der weiß, dass sie sich ihren Stoffen nicht auf konventionelle Weise annähert. So auch hier. Ihr Drama ist kein Biopic im herkömmlichen Sinne. Vielmehr setzt sie Ebenen von Zeit, Ort und Wahrnehmung außer Kraft. Beschreibt anhand von drei Briefen, die die Protagonistin kurz vor ihrem frühen Tod verfasst, aber nie abgeschickt hat, das Innenleben einer starken Persönlichkeit. Einer Frau, die es Mitte des 19. Jahrhunderts gewagt hatte, die freie Liebe zu propagieren, die sich gegen ihren herrischen, gewalttätigen Mann aufgelehnt und statt des Kochlöffels den Federkiel zu ihrem Arbeitsgerät erkoren hatte. Verkörpert wird Bozena Nemcova, deren Roman 'Großmutter' angeblich Kafka seinen Schwestern als Lektüre empfahl, auf unnachahmliche Art und Weise von Corinna Harfouch, die zuletzt als Magda Goebbels in 'Der Untergang' ein Ausrufezeichen setzte. Durch ihre Darstellung der von einer schweren Krankheit und dem Tod ihres geliebten Sohnes schwer gezeichneten Literatin und Mutter wird das Leiden auf der Leinwand physisch förmlich spürbar. So entsteht zum einen mosaiksteinartig das Porträt einer Frau, die ihrer Zeit weit voraus war, zum anderen macht Knöpfel in eindringlichen, beinahe hypnotischen Bildern deutlich, wie das Schreiben zum (kreativen) Ventil für körperliche wie seelische Gebrechen werden kann. Fazit: Die Regisseurin präsentiert mit fast ausschließlich aus Tschechen bestehender Cast und Crew höchste Filmkunst, die vor allem ein literarisch interessiertes, weibliches Publikum ansprechen sollte.
[quelle: Blickpunkt:Film]
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